Circus hat 2023 das Kochroboter-Start-up Aitme übernommen, wollte erstmal langsam machen. Jetzt scheint ein Milliarden-Deal zu winken.

Als das Hamburger Food-Start-up Circus im August 2023 den Kochroboter-Start-up Aitme übernahm (https://gvpraxis.food-service.de/gvpraxis/news/robotik-uebernahme-von-kochroboter-startup-aitme-57027), war in Insiderkreisen von einem niedrigen einstelligen Millionenbetrag als Kaufpreis die Rede. Jetzt meldet Circus in China eine Absichtserklärung über die Errichtung eines Netzwerks von Food-Robotern, dessen Geschäftsvolumen wiederum niedrig einstellig beziert wird – doch diesmal handelt es sich um Milliarden.

Partner des angestrebten Deals ist das Beijing University Food Raw Material Joint Procurement Centre. 2001 gegründet, dient es unter der Leitung des Bildungsministeriums als zentrale Plattform für die Beschaffung von Rohstoffen für über90 Universitäten und Bildungseinrichtungen in Peking. Hier werden täglich Millionen von Mahlzeiten bereitgestellt.

Volumen: weit über 1 Mrd. Euro

Die staatliche Einrichtung und Circus beabsichtigen, gemeinsam ein autonomes Versorgungssystem für frische Gerichte mit dem Circus Autonomy One (CA-1) aufzubauen und zu skalieren. Das globale Roll-out der Circus SE soll in Asien beginnen. Der vollautomatische, selbstreinigende 5.400 Kochroboter für China Kochroboter ist laut Circus in der Lage, auf einer kompakten Fläche von gerade mal 20 Quadratmetern Zutaten zu dosieren, zu kochen und selbstständig zu verpacken – bis zu 85 Mahlzeiten pro Stunde.

Circus Food Roboter CA-1 Bild: Circus SE


Insgesamt sollen über einen Zeitraum von vier Jahren 5.400 CA-1 in Beijing zum Einsatz kommen. Bei einem aktuellen Listenpreis von 250.000 Euro beliefe sich der Deal auf rund 1,3 Milliarden Euro. Groß ist auch die technologische Dimension(https://www.4investors.de/nachrichten/boerse.php?sektion=stock&ID=177364): „Die Automatisierung der Essensversorgung von Pekinger Universitäten ist eines der größten Robotik-Projekte weltweit und ein Meilenstein in der kommerziellen KI“, zitiertJohannes Stoels vom Börsenportal www.4investors.de Circus-Gründer und CEO Nikolas Bullwinkel.



Überraschender Schritt nach China

Die Meldung des erst 2021 gegründeten Start-ups kam angesichts der Entwicklung des Unternehmens und des deutschen Marktes selbst für Branchenkenner überraschend, nicht zuletzt wegen der Dimension. Das sieht auch Bullwinkel so: „Wir haben China früh als einen für uns bedeutenden Markt erkannt, sind aber selbst überrascht von der Dynamik“, sagte er 4investors.de. Bis zuletzt hatte Circus kommuniziert, den Fokus auf Forschung und Entwicklung zulegen. Finanziert wurde dies aus den insgesamt rund 40 Millionen Euro

Leiterin des Mechanical Engineering Teams von Circus beim Testen von Komponenten. Bild: Circus SE

Entwickler sorgen mit hochmoderner Software für nahtlose Abläufe bei jedem Schritt - vom Befüllen der Zutaten bis zur Übergabe des fertigen Gerichts. Bild: Circus SE


Noch im Januar hatte Bullwinkel anlässlich der Aufnahme des Handels von Circus-Aktien an der Börse Frankfurt und im Xetra gegenüber der FAZ erklärt, „zunächstverstärkt in Forschung und Entwicklung zu investieren, um sicherzustellen, dass unserProdukt fehlerfrei funktioniert, bevor wir den Schritt zur Skalierung unternehmen“.Mitte Mai hieß es dann in einer Ad-hoc-Meldung, dass sich das operative Kerngeschäftplanmäßig noch in der Entwicklungsphase bende. 2023 sei sowohl in den Aufbau derCircus Robotics investiert worden, als auch in der Weiterentwicklung des CircusBetriebssystems (Circus OS). „Umsätze entstanden bislang ausschließlich aus demEigenbetrieb von operativen Testküchen zur Validierung entwickelter TechnologienLeiterin des Mechanical Engineering Teams von Circus beim Testen von Komponenten.

Mitte Mai hieß es dann in einer Ad-hoc-Meldung, dass sich das operative Kerngeschäft planmäßig noch in der Entwicklungsphase bende. 2023 sei sowohl in den Aufbau der Circus Robotics investiert worden, als auch in der Weiterentwicklung des Circus Betriebssystems (Circus OS). „Umsätze entstanden bislang ausschließlich aus dem Eigenbetrieb von operativen Testküchen zur Validierung entwickelter Technologien Leiterin des Mechanical Engineering Teams von Circus beim Testen von Komponenten.


Spezielles Team für den asiatischen Markt

Der Ausblick für 2024 klang wenig spektakulär: Das Geschäftsjahr 2024 werde wie 2023 von der Weiterentwicklung der Technologie und der Vorbereitung einer Serienfertigung geprägt sein. Allerdings wurde von „aussichtsreichen Verhandlungen über potenziell großvolumige Kundenverträge“ geschrieben.

Diese scheinen sich jetzt konkretisiert zu haben. Am 23. Mai meldete Circus,(https://www.boerse-frankfurt.de/nachrichten/EQS-News-Circus-Group-bereitet-Markteintritt-in-Asien-vor-deutsch-5e5611-7905-4239-820d-5b332838c0c3) dass einspezielles Team für den asiatischen Markt aufgebaut werde. Mit Prof. Lin Yang sei ein erfahrener Unternehmer gewonnen worden, der die regionale Präsenz des Unternehmens als lokaler Geschäftsführer für den asiatisch-pazifischen Raum bei der bevorstehenden Markteinführung in Asien stärken werde. Yang verantworte die lokale Geschäftsstrategie und Partnerschaften, die sich darauf konzentrieren, Wachstum voranzutreiben und eine nachhaltige Präsenz in der Region aufzubauen.

Circus werde seine Roboter in Europa und den USA zunächst von seinem deutschen Hauptsitz Hamburg aus vermarkten. Die indikativ hohe Nachfrage aus Asien in den letzten Monaten und das entsprechende Interesse an den Robotern von Circus habe die Einrichtung eigener Teams vor Ort erforderlich gemacht.

Ziel: Roboter für 4.000 Unis in China

Wie groß das Volumen sein könnte, wird jetzt deutlich: Circus sei einer von 130 konkurrierenden Ansätzen für die Vollautomatisierung gewesen, mit denen sich der Kunde aus China auseinandergesetzt habe. Jetzt werde eine Zusammenarbeit angestrebt, die in vier Phasen unterteilt sei, erklärt CEO Bullwinkel: In der ersten Phase würde Circus seine Roboter in einer lokalen Beta-Umgebung an Bildungseinrichtungen in Peking testen, hier bestehe exklusiver Marktzugang.

Phase zwei umfasse den Vorserien-Rollout, bei dem 1.080 Roboter aus europäischer Produktion ausgeliefert werden. Parallel zur dieser Phase soll eine lokale Produktion in China aufgebaut werden, um in der dritten Phase 4.320 CA-1 an 92 Universitäten in Peking zu verteilen.

Doch damit nicht genug. Wenn sich die Pläne soweit realisieren lassen, erfolgt die geschäftliche Krönung in Phase 4: „In der vierten und letzten Phase unterstützt uns unser Kunde bei der landesweiten Einführung, mit dem Ziel, 4.000 Universitäten mit insgesamt 60 Millionen Studierenden zu erreichen“, erklärt Bullwinkel.

Absichtserklärung konkret, aber nicht verbindlich

Was davon wie tatsächlich realisiert wird, muss noch offen bleiben: Die in Pekingunterzeichnete Absichtserklärung umreiße die grundlegenden Bedingungen der künftigen Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien, sie sei nicht rechtsverbindlich. Sie diene lediglich dazu, die Eckpunkte der künftigen vertraglichenVereinbarung festzulegen, bis die detaillierten und rechtsverbindlichen Verträge ausgearbeitet sind, heißt es in der zum Start verbreiteten Ad-hoc-News(https://www.boerse-frankfurt.de/nachrichten/EQS-News-Circus-Group-unterzeichnet-Absichtserklaerung-ueber-die-Einfuehrung-von-5400-CA-1-Food-Robotern-in-Pekinger-Bildungseinrichtungen-deutsch-4f059dd9-8eb1-4aa2-8efc-c2ed078d0438).

Dass die Umsetzung ohne direkte chinesische Unternehmensbeteiligung erfolgen könnte, scheint unwahrscheinlich. Circus erkenne zwar ein entsprechendes Interesse, hierzu gebe es aber gegenwärtig keine Pläne. Derzeit würden mit verschiedenen Partnern die nächsten Schritte zur praktischen Umsetzung des Deals geplant – Stichwort Produktionskapazitäten. Dabei gehe es insbesondere um verschiedene Themenkomplexe wie Produktion, Logistik, Wartung und Service. „Wir sprechen hier zum Beispiel mit sehr potenten Produktionspartnern, die den entstehenden Bedarf decken können“, so Bullwinkel. „Nach unserer gegenwärtigen Planung werden die ersten Roboter frühestens Anfang des kommenden Jahres vor Ort in China eingesetzt. Die komplette Umsetzung der ersten drei Phasen unsererZusammenarbeit umfasst einen Zeitraum von mindestens 4 Jahren.“

Wachstumsverheißung befeuert Börsenkurs

CIRCUS SE

Industrie: Foodservice and Robotik
Firmensitz: Hamburg
Gründungsjahr: 2021
Management: Nikolas Bullwinkel (CEO), Carsten Wille (CCO), Dr. Helge Plehn (CTO), Fabian Becker (CFO)
Mitarbeitende: +80
Standorte: Hamburg, Berlin und München
Produkt: Circus Autonomy One (CA-1). Der unternehmenseigene
Roboter kann die gesamte Bandbreite an Aufgaben übernehmen,
von der präzisen Dosierung der Zutaten bis hin zum
Kochen, Aufräumen und Verpacken der Mahlzeiten.
Meilensteine:
2021 Gründung
August 2023 Übernahme des Food-Roboter-Start-ups Aitme,
Bildung eines Forschungs- und Entwicklungszentrum in München
Ende 2023 Listing an der Börse München
Anfang 2024 Notierung auf Xetra

Aktuell gibt es 22.620.000 Aktien der Circus SE, seit Januar werden einige davon an derBörse in Frankfurt und auf Xetra gehandelt. Im Vorfeld des Börsenlistings seien Aktienaus dem Bestand der Altaktionäre zur gleichen Bewertung der letztenFinanzierungsrunde an Firmen und Personen umplatziert worden, um den benötigtenStreubesitz für das Börsenlisting zu schaen. Hierbei habe es sich um für die Gesellschaftstrategisch wichtige Akteure beispielsweise aus dem Bereich Robotik und KünstlicheIntelligenz, die jetzt den Streubesitz darstellen.

Der Börsenkurs bewegte sich bis 23. Mai im Bereich zwischen 10 und 13 Euro. MitAnkündigung des Markteintritts in Asien stieg er steil an, mit einem Peak am 13. Junivon 33,80 Euro. Aktuell (19. Juni, 12:50 Uhr) beträgt der Kurs 25,40 Euro. EinigeAktionäre könnten also etwas Kasse gemacht haben. Dazu dürften jedoch nicht dieAktionäre der ersten Stunde, Gründer und das Management zählen. Diese hatten sich,so Bullwinkel, zu einem Lock-up von bis zu fünf Jahren bereit erklärt.



Lesen Sie diesen Artikel auf: https://gvpraxis.food-service.de/gvpraxis/news/milliarden-deal-food-roboter-made-in-germany-nach-china-60034